03.05.2019
Klage gegen Verpflichtung zum Einbau elektronischer Funkwasserzähler
Der Weiße Zone Rhön e.V. wendet sich mit einer Klage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof gegen eine Norm in der bayerischen Gemeindeordnung, die die Gemeinden ermächtigt, in gemeindlichen Satzungen für die Nutzer der Wasserversorgung den Einbau von Funkwasserzählern vorzuschreiben.
Daten über den individuellen Wasserverbrauch von Personen oder Haushalten sind personenbezogene Daten aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich, die einem besonderen grundrechtlichen Schutz unterliegen, da mit ihnen, insbesondere bei Verknüpfung mit weiteren Daten, Informationen über die persönliche Lebensführung der einzelnen Bürgerinnen und Bürger gewonnen werden können.
Der Verein, der sich auf dem gesamten Gebiet der Rhön für strahlungsarmes Wohnen einsetzt und elektrosensible Menschen berät, hält die Änderung der Bayerischen Gemeindeordnung vom Mai 2018 für verfassungswidrig, da sie gegen Grundrechte der Bayerischen Verfassung verstoße. Daher hat er im April 2019 eine Popularklage erhoben, um die Nichtigkeit der Norm vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof feststellen zu lassen.
Die Satzungsermächtigung in Art 24 Abs. 4 der Bayerischen Gemeindeordnung verstoße gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung. Weiter sei der Einbau auch unverhältnismäßig und aufgrund der dauerhaft einwirkenden gepulsten Signale auch gesundheitsgefährdend. Die Zähler, die von der Straße aus im „Drive by“-Verfahren abgelesen werden, könnten 365 Tage im Jahr durchgängig im Abstand von nur wenigen Sekunden per Funksignal Verbrauchsdaten an vorbeifahrende Erfassungsgeräte liefern.
Der Verein ist der Auffassung, dass die technisch unbegrenzten Möglichkeiten außer Verhältnis stünden zum Ziel der periodischen Ablesung, die in der Regel nur eine einzige jährliche Erfassung des Zählerstandes erfordere, um eine Abschlussrechnung durch den Wasserversorger zu erstellen. Der Einbau verletze den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Datensparsamkeit. Auch sei in der Ermächtigung nicht hinreichend bestimmt geregelt, welche weiteren Einsatzzwecke eine anlassbezogene Ablesung der Daten rechtfertigten, etwa im Fall einer Störung. Auch die Dauer der Aufbewahrung bzw. die Frist zur Vernichtung bzw. der Ort der Aufbewahrung der Daten beim Wasserversorger sei nicht hinreichend gesetzlich geregelt. Dies eröffne einem Missbrauch, auch durch unbefugte Dritte, Tür und Tor.
Die gesetzliche Regelung in Art. 24 Abs. 4 Satz 5 der Gemeindeordnung gestehe den Hauseigentümern bzw. den Gebührenschuldnern nur ein viel zu knapp bemessenes zweiwöchiges Widerspruchsrecht zu. Dies sei zwar voraussetzungslos, allerdings sei unklar, ob ein späterer Widerruf nach Art. 21 Abs. 1 der DSGVO erfolgen könne und an welche Voraussetzungen dieser geknüpft werde. Auch müsse nach Art. 21 Abs. 4 DSGVO im Zeitpunkt der ersten Kommunikation auf das Widerrufsrecht nach Art. 21 Abs. 1 DSGVO hingewiesen werden. Die Ausübung dieses zeitlich unbeschränkten Widerrufsrechtes müsse von Verfassungswegen jederzeit ohne besondere Gründe möglich sein.
In der Vergangenheit seien Funkwasserzähler, bereits in einigen bayerischen Gemeinden ohne Rechtsgrundlage verbaut worden. Dies war bei dem Bayerischen Datenschutzbeauftragten auf erhebliche Kritik gestoßen. Die Neuregelung sieht rückwirkend kein Widerspruchsrecht vor für Haushalte, in denen die Zähler bereits verbaut wurden. Hier müsse auch das Recht auf nachträglichen Ausbau bestehen bzw. eine Deaktivierung erfolgen. Die fehlende gesetzliche Regelung verstoße daher gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Auch eine nachträgliche Information der so Betroffenen sei nicht vorgesehen.
Auch sei im Gesetzgebungsverfahren entgegen den Empfehlungen von Datenschützern vorgeschrieben worden, dass im Fall eines Widerspruchs ein Funkwasserzähler lediglich deaktiviert verbaut werde. Nicht vorgesehen sei, auf Wunsch des Betroffenen auf den Einbau eines digitalen Zählers gänzlich zu verzichten und - wie bisher - einen mechanischen Wasserzähler zu verbauen. Auch hierin sieht der Verein einen Grundrechtsverstoß, der nicht durch eine Grundrechtsschranke gerechtfertigt sei.
Weiter seien die Folgekosten für Eigentümer und Gebührenschuldner unklar, da die elektronischen Geräte anfälliger seien als mechanische Zähler. Es fehle eine Kostenfolgenschätzung im Gesetz.
Die Geräte bedürften weder einer Zulassung noch müssten sie bestimmte Verschlüsselungsstandards in Form von Algorithmen erfüllen, wie sie etwa das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik vorgebe, so dass kein ausreichender Schutz vor Missbrauch gegeben sei. Auch sei es datenschutzrechtlich aus Gründen der informationellen Selbstbestimmung zwingend erforderlich, dass der Eigentümer oder Betroffene erkenne, wann das Gerät in Betrieb sei und Daten gesendet würden. Eine entsprechende technische Vorgabe an die Ausgestaltung bestehe für die Geräte von Gesetzes wegen aber nicht. Zu einfach mache es sich der Gesetzgeber auch, wenn er bei „gemeinsamen Wasserzählern“ einen Personenbezug der Daten verneine und den betroffenen Haushalten infolgedessen kein Widerspruchsrecht zugestehe.
Der Verein macht geltend, die verpflichtende „Zwangsdigitalisierung“ verstoße gegen die informationelle Selbstbestimmung, da unklar sei, wozu die Daten erhoben, verarbeitet und verwendet werden dürfen.
Im Ausland haben Gerichte bereits Klagen stattgegeben, mit denen sich Bürgerinnen und Bürger gegen den Einbau digitaler Strommesszähler wendeten und gesundheitliche Gründe geltend machten.
Der Verfassungsgerichtshof hat den Landtag und die Staatsregierung in dem anhängigen Verfahren zur Stellungnahme aufgefordert (Az: 5-VII-19).
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